Wie funktioniert ein Vereinsleben und wie ist es derzeit bei TERRE DES FEMMES?


Eine rechtliche Einordnung von Eike Weißenfels, Richterin a.D.

1. Allgemeines

Wie ein Verein gestaltet ist und wie er arbeitet, bestimmt sich nach den einschlägigen Regelungen im BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), nämlich §§ 21 ff BGB, und der Satzung, die sich ein Verein gibt.

 

Keine Angst, es erfolgt jetzt keine Abhandlung über das Vereinsrecht. Es geht an dieser Stelle um die beiden Hauptorgane eines Vereins und ihr Verhältnis zueinander.

 

Das oberste Organ eines Vereins ist die Mitgliederversammlung (§ 32 BGB). Dort werden die Angelegenheiten des Vereins im Rahmen des satzungsmäßigen Vereinszwecks geordnet, sprich: entschieden.

 

Ein weiteres Organ eines Vereins ist der Vorstand. Er ist sozusagen das Gesicht des Vereins nach außen, er vertritt den Verein gerichtlich und außergerichtlich. Die Bestellung des Vorstands erfolgt durch Beschluss der Mitgliederversammlung.

 

Da die Mitgliederversammlung das oberste Organ eines Vereins ist, hat der Vorstand die auf einer Mitgliederversammlung gefassten Beschlüsse umzusetzen. Die Beschlüsse sind für den Vorstand bindend.

 

Allerdings können durch die Satzung die Kompetenzen des Vorstands erweitert werden. 


2. Wie ist es bei TERRE DES FEMMES?

TERRE DES FEMMES ist ein sog. eingetragener Verein, das heißt, für ihn gelten die allgemeinen Regelungen. Dementsprechend gibt es einen Vorstand und eine Mitgliederversammlung, die Mitfrauenversammlung, im Folgenden "MV" genannt.

 

Da, wie oben dargestellt wurde, die Kompetenzen von Vorstand und MV in der Satzung geregelt werden können, müssen wir in unsere Satzung schauen.

Die MV ist in § 8 der Satzung geregelt. Danach ist die MV das oberste Organ von TdF, § 8 Abs. 1 der Satzung.

Die MV hat vor allem auch die Aufgabe, die Arbeitsschwerpunkte von TdF zu bestimmen.

 

Die Stellung des Vorstands ist in § 9 der Satzung geregelt.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass gemäß § 9 Absatz 5 der Satzung der Vorstand verpflichtet ist, die Beschlüsse (der MV) umzusetzen. 


3. Wirken des jetzigen Vorstands bzw. des Mehrheitsvorstands

Als mich, Eike Weißenfels, am 25.07.2022 die E-Mail der Geschäftsleitung erreichte, dass vom Vorstand beschlossen worden sei, dass sich TERRE DES FEMMES vom Positionspapier zu Transgender, Selbstbestimmung und Geschlecht distanziere und das Papier von der Homepage genommen werde, hat mich das erschüttert. Und zwar sowohl als Mitfrau als auch als Richterin mit über 38 Jahren Berufserfahrung in der Arbeitsgerichtsbarkeit.

 

Unfassbar der klare Rechtsbruch durch Mehrheitsvorstand und Geschäftsführerin, der bis heute fortgesetzt wird.

 

Anstatt die Beschlüsse der MV zu dem Positionspapier umzusetzen, wie dies nach der Satzung verpflichtend ist, setzen der Mehrheitsvorstand und die Geschäftsführerin ihre eigene Meinung an die Stelle der Entscheidung der MV.

 

Was folgt nun daraus?

Es gibt im Prinzip drei Möglichkeiten, mit diesem Rechtsbruch umzugehen:

 

- ihn hinnehmen

- sich zur Wehr setzen

- aus TERRE DES FEMMES austreten.

 

Von der letzten Möglichkeit haben etliche Frauen Gebrauch gemacht. Das kann nicht im Interesse des Vereins liegen.

Auch die erste Option schadet dem Verein.

Im Grunde bleibt, um die Glaubwürdigkeit von TERRE DES FEMMES zu erhalten, nur, sich zur Wehr zu setzen.

 

Von einem Verein, der es sich auf die Fahne geschrieben hat, weltweit für die Rechte von Frauen einzutreten, kann und muss verlangt werden, dass im eigenen Haus die demokratischen Spielregeln eingehalten werden.

 

Leider fehlt bei den Verantwortlichen jede Spur von Einsicht, so dass nichts anderes übrig bleibt, als das Recht bei Gericht zu suchen und das Unrecht zu beenden. 


4. Weitere Einschränkungen der Rechte der Mitfrauen

Der ungeheuerliche Vorgang vom Juli 2022 war Veranlassung, sich das Vereinsleben genauer anzusehen.

 

Es existieren eine Geschäftsordnung für die Antragstellung an die Mitfrauenversammlung (GO AK) und eine Geschäftsordnung für den Vorstand (GO VS). Beide wurden ohne Beteiligung der MV vom Vorstand beschlossen.

Weder für die GO AK insgesamt noch für den Teil der GO VS, in denen die Wahl des Vorstands geregelt ist, gibt es in der Satzung eine Rechtsgrundlage. Die Folge ist, dass sie bereits aus formalen Gründen unwirksam sind.

 

Beide Geschäftsordnungen enthalten darüber hinaus Regelungen, die manipulativ eingesetzt werden können.

 

Nach § 3 der GO VS wird das Amt der ehrenamtlichen Vorstandsfrau alle zwei Jahre „ausgeschrieben“. 

Das ist zumindest missverständlich und findet in der Satzung keine Stütze. Der Vorstand wird gewählt. 

 

In § 3 der GO VS werden gleichzeitig „konstitutive Bewerbungsvoraussetzungen“ festgelegt, nämlich die Mitgliedschaft bei TERRE DES FEMMES und die Identifikation mit dem feministischen Leitbild und den aktuellen Positionen des Vereins.

Die Satzung enthält keinerlei Anforderungen für die Kandidatinnen.

Es heißt zwar in § 9 Abs. 2 der Satzung u.a., alles Weitere regele eine Wahlordnung. Die GO VS stellt aber keine Wahlordnung dar. Außerdem ist für den Erlass einer Wahlordnung die MV zuständig. 

 

Es stellt sich auch die Frage, ob die Geschäftsführung eine Kandidatin zurückweist, die sie nach ihren Kriterien nicht für geeignet hält. Warum sonst werden solche Eignungskriterien erstellt?

 

Allein die wählenden Mitfrauen entscheiden durch ihre Stimmabgabe, durch wen sie sich vertreten lassen wollen.

 

Genauso sieht es mit der GO AK aus.

Hier wurde durch den Vorstand eine „Antragskommission“ ins Leben gerufen, für die sich in der Satzung per se keinerlei Grundlage finden lässt. 

In der Satzung ist auch kein Ansatz dafür erkennbar, dass Anträge mindestens von drei Mitfrauen gestellt werden müssen, wie dies in § 3 Abs. 2 GO AK gefordert wird. 

Nach § 2 Abs. 1 GO AK hat die Antragskommission die Aufgabe, die Anträge im Hinblick auf ihre formellen und materiellen Voraussetzungen zu überprüfen. Sie entscheidet über die Zulässigkeit eines Antrags. 

 

Was die materiellen Voraussetzungen sind, ist in § 10 GO AK geregelt: Unter anderem sind Anträge unzulässig, die der Satzung oder dem feministischen Leitbild von TERRE DES FEMMES widersprechen. Die Deutungshoheit liegt bei der Antragskommission. Im Hinblick auf das Vorgehen beim Positionspapier zu Transgender, Selbstbestimmung und Geschlecht besteht Veranlassung zu höchstem Misstrauen. Die GO AK ermöglicht es, unliebsame Anträge abzuwürgen. 

 

Zusammenfassend ist festzustellen, dass über das Vehikel Geschäftsordnung die Satzung auf unzulässige Weise verändert wird. Zu einer Änderung der Satzung ist aber ausschließlich die Mitfrauenversammlung berechtigt.